Tegernsee

Anerkannt protestantischen Kirchenbauverein zu Tegernsee
(1890 bis 1918)

Es war ein illustrer Kreis, der sich am 28. September 1890 um 5 Uhr nachmittags im Rathaus in Tegernsee traf, um im fast ausschließlich katholischen Tegernseer Tal eine protestantische Kirche errichten zu lassen. Da es Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts nur etwa 30 einheimische Familien protestantischen Glaubens im Tegernseer Tal gab, erscheint dieses Ansinnen auf den ersten Blick wohl eher vermessen. Allerdings war das Tegernseer Tal schon zu dieser Zeit vor allem unter gut situierten Bürgern ein beliebtes Erholungsgebiet und so verwundert es nicht, das eine Reihe prominenter und begüterter Protestanten aus allen Teilen Deutschlands sich häufig hier zur Sommerfrische aufhielten bzw. Villen als Ferienwohnsitze errichten ließen. Vor allem unter diesen Gläubigen war der Wunsch nach einer eigenen Kirche groß, da man für die sporadischen Gottesdienste durch Reiseprediger immer auf das Wohlwollen der königlichen Familie bzw. der Gemeinde angewiesen war um entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt zu bekommen.

Immerhin gelang es den Initiatoren des Kirchenbaus, allen voran Prinz Otto von Wittgenstein, 78 Protestanten zu bewegen, an der Gründungsversammlung teilzunehmen. Einer Aufstellung von 1913 zufolge waren nur etwa 8% der Mitglieder dem Arbeiterstand zuzurechnen, wogegen ein gutes Fünftel dem Adel angehörte und etwa 15% als Berufsbezeichnung „Privatier“ angaben. Ansonsten waren vor allem höhere Beamte, Fabrikbesitzer, Akademiker und vermögende Witwen in diesem Kreis anzutreffen. Zum Vorstand gehörten Prinz Otto von Wittgenstein, Mr. Ralph Fawcett, Herr Fabrikbesitzer Carl Haug. Herr Dr. Maximilian von Cubé, Herr Vikar Prinzing aus Rosenheim.

Als Mindest-Mitgliedsbeitrag wurden 20 Pfennig pro Monat, jährlich also 2.40 Mark festgesetzt.

Der Kirchenbau

Dem Verein gelang es trotz vieler Rückschläge schließlich, die Mittel für den Bau einer Kirche in Tegernsee aufzubringen, so dass am 7. Oktober 1894 die feierliche Einweihung in Anwesenheit hochrangiger Gäste stattfinden konnte. In der Festschrift zum 100jährigen Jubiläum der Einweihung wurden die Entstehungsgeschichte sowie dessen etwas unwürdige Auflösung eindrucksvoll beschrieben.
Man kann wohl ohne Übertreibung feststellen, dass ohne den teilweise massiven persönlichen Einsatz einiger protestantischer Adelsfamilien die Tegernseer Kirche im 19. Jahrhundert nicht hätte erbaut werden können. Stellvertretend sollen hier zwei besonders aktive Damen, die Baronin Ida von Berckheim und die Baronin von Wulffen genannt werden, die zusammen schätzungsweise mindestens ein Drittel der Bausumme gespendet haben. So stand z.B. Ende 1892/ Anfang 1893 das Projekt kurz vor dem Scheitern, als nämlich der Architekt, Prof. Schmidt, mitteilte, dass er mit der vom Verein veranschlagten Bausumme von 32.000,- Mark keine Kirche bauen könne und die Baukosten sich auf mindestens 36.000,- Mark belaufen würden. Es wurde nun darüber diskutiert, den Bau evtl. auf mehrere Jahre zu verteilen, bis Baronin von Berckheim weitere 6200,- Mark für den Bau zur Verfügung stellte.

Auch die vielfältigen Beziehungen zu den königlichen behördlichen Stellen haben dem Projekt sicher weiter geholfen. Fraglich ist, ob es einer „normalen“ Kirchengemeinde gelungen wäre, eine bayernweite Kollekte zum Bau ihrer Kirche genehmigt zu bekommen, die stolze 7221,- Mark einbrachte.

Bereits 10 Monate nach der Einweihung konnte der Kirchenbauverein stolz vermelden, dass alle mit dem Bau zusammenhängenden Rechnungen bezahlt und der Verein schuldenfrei sei. So verwundert es nicht, dass es bald erste Überlegungen gab, den Verein aufzulösen. Letztlich war man aber doch der Ansicht, dass für die Bezahlung der Geistlichen, den weiteren Unterhalt der Kirche sowie weitere bauliche Maßnahmen ein Kirchenbauverein weiterhin gute Dienste leisten könnte.

Im Jahr 1899 diskutierte man ausführlich die Gemeindesituation in Kreuth, das zwar nur wenige einheimische evangelische Familien beherbergte, das aber im Sommer eine große Zahl protestantischer (vor allem adliger und vermögender) Feriengäste anlocken konnte. Offenbar sorgte dort häufig der König von Württemberg für Gäste-Gottesdienste. Vorschläge aus den Reihen des Kirchenbauvereins, auch in Kreuth eine kleine Kirche zu errichten, wurden zwar momentan nicht weiter verfolgt, sie sollten aber ausdrücklich als wichtige Punkte einer künftigen Agenda im Auge behalten werden.

Unter ökumenischen Gesichtspunkten ist an den Protokollen der Generalversammlungen dieser Jahre bemerkenswert,  dass sie wiederkehrende Hinweise auf die gute und ersprießliche Zusammenarbeit mit den katholischen Institutionen des Tals enthielten, wobei vor allem die Aufgeschlossenheit gegenüber protestantischen Anliegen positiv vermerkt wurde.

Das weitere Anwachsen der protestantischen Bevölkerung war sicher ein Grund für die Bemühungen um die Gründung einer eigenen Gemeinde und das Vorantreiben einer Auflösung des Vereins – gegen den Willen des damaligen Vorstands. Die faktische Auflösung zog sich aufgrund kriegsbedingter Umstände und der Verzögerungstaktik des Vereinsvorstands noch einige Jahre hin. Am 9. Dezember 1918 wurde die Auflösung aber offiziell vollzogen, indem die Kirche und das Vereinsvermögen der bereits 1917 errichteten protestantischen Kirchenstiftung in Anwesenheit von Regierungsrat de Rudder vom Königlichen Bezirksamt in Miesbach übergeben wurde. Dem letzten Vorstand gehörten im übrigen an: Forstrat Bartholomä, Dr. Förderreuther, Arthur Haug (Sohn von Carl Haug), Prof. Dr. Kattwinkel und Gräfin Anna Henckel von Donnersmarck (Tochter von Prinz Franz von Wittgenstein)

Ob und ggfs. in welchem Ausmaß sich die Mitglieder des ehemaligen Kirchenbauvereins in die Arbeit der neuen Tochter-Kirchengemeinde eingebracht haben, ist den Archivunterlagen leider nicht zu entnehmen. Zwar wird in den Protokollen der Kirchenvorstandssitzungen der Jahre 1947 bis 1950 eine Frau Förderreuther als Kirchenvorstandsmitglied erwähnt, ihre verwandtschaftliche Beziehung zu dem Vorstandsmitglied von 1918 ist den Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen. Die Namen Förderreuther und Haug tauchen allerdings zum Kriegsende 1945 nochmals in einem traurigen Zusammenhang auf. Wie vom damaligen Pfarrer Dr. Naumann in einer „Kleinen Kriegschronik“ berichtet, haben am 3. Mai 1945 französische Truppen die beiden Leiter der Papierfabrik Louisenthal, den Kommerzienrat Arthur Haug und den Dipl.-Ing. Hans Förderreuther verhaftet und noch am gleichen Tag erschossen. Beide wurden von Dr. Naumann als angesehene Mitbürger und Mitglieder der Kirchengemeinde beschrieben.

Fazit

Zusammenfassend kann man festhalten, dass der Kirchenbauverein eine für damalige Zeit gewaltige organisatorische und finanzielle Leistung zustande gebracht hat. In einer Region, deren Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen katholischen Glaubens war und zudem ohne jegliche staatliche oder offizielle kirchliche finanzielle Unterstützung ist es den Mitgliedern des Vereins gelungen, eine sehr ansehnliche Kirche zu bauen, die zu den ersten evangelischen Kirchen in Oberbayern zählte. Viele Persönlichkeiten haben am Gelingen dieses Projekts mitgewirkt. Die Errichtung einer Gedenktafel für diejenigen, die den Bau ermöglichten, wurde von den betroffenen dezidiert abgelehnt. Einziger Wunsch der beiden Baroninnen war es, zwei gekennzeichnete Sitzplätzen auf Lebenszeit zu erhalten.

Die Geschichte des ersten evangelischen Kirchenbauvereins Tegernsee, Rottach-Egern und Kreuth

Die folgenden Ausführungen geben einen kurzen Überblick über die Initiatoren, die Mitglieder, das Aufgabenspektrum und den Zeitraum des ersten Kirchbauvereins, machen aber auch auf die Probleme, Beschwerlichkeiten und Spannungen aufmerksam, mit denen sich der Verein auseinandersetzen mussten. Anerkannt protestantischer Kirchenbauverein zu Tegernsee (1890 bis 1918) Die Gründung Es war ein illustrer Kreis, der sich am 28. September 1890 um 5 Uhr nachmittags im Rathaus in Tegernsee traf, um im fast ausschließlich katholischen Tegernseer Tal eine protestantische Kirche errichten zu lassen. Da es Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts nur etwa 30 einheimische Familien protestantischen Glaubens im Tegernseer Tal (das in den Archivunterlagen räumlich nicht eindeutig abgegrenzt war) gab, erscheint dieses Ansinnen auf den ersten Blick wohl eher vermessen. Allerdings war das Tegernseer Tal schon zu dieser Zeit vor allem unter gut situierten Bürgern ein beliebtes Erholungsgebiet und so verwundert es nicht, das eine Reihe prominenter und begüterter Protestanten aus allen Teilen Deutschlands sich häufig hier zur Sommerfrische aufhielten bzw. Villen als Ferienwohnsitze errichten ließen. Vor allem unter diesen Gläubigen war der Wunsch nach einer eigenen Kirche groß, da man für die sporadischen Gottesdienste durch Reiseprediger immer auf das Wohlwollen der königlichen Familie bzw. der Gemeinde angewiesen war um entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt zu bekommen. Immerhin gelang es den Initiatoren des Kirchenbaus, allen voran Prinz Otto von Wittgenstein, 78 Protestanten zu bewegen, an der Gründungsversammlung teilzunehmen. Zwar verfügt das Archiv der evangelischen Kirchengemeinde über eine Namensliste dieser Gründungsmitglieder, eine Aufgliederung nach Stand und Beruf lässt sich jedoch erstmals aus einer Mitgliederliste der Generalversammlung von 1913 ermitteln.

Die Angaben in den Protokollen der jährlich abgehaltenen Versammlungen sind zwar etwas spärlich, trotzdem kann man davon ausgehen, dass bei einer Mitgliederzahl, die sich im Verlauf der Jahre nicht dramatisch verändert hat, die Struktur der Mitwirkenden in etwa gleich geblieben ist. Der Aufstellung von 1913 zufolge waren nur etwa 8% der Mitglieder dem Arbeiterstand zuzurechnen, wogegen ein gutes Fünftel dem Adel angehörte und etwa 15% als Berufsbezeichnung „Privatier“ angaben. Ansonsten waren vor allem höhere Beamte, Fabrikbesitzer, Akademiker und vermögende Witwen in diesem Kreis anzutreffen. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass nur eine relativ geringe Anzahl der Mitglieder ihren ersten Wohnsitz im Tegernseer Tal hatte. Der Vereinsvorstand, der noch am Tag der Gründung gewählt wurde und dem im wesentlichen die wichtigsten männlichen (weibliche Vorstände waren in den Statuten ursprünglich nicht vorgesehen) Initiatoren des Kirchbauprojekts angehörten, kann insofern auch als einigermaßen repräsentativer Querschnitt der bei der Versammlung anwesenden Personen angesehen werden. Es waren dies: Prinz Otto von Wittgenstein Mr. Ralph Fawcett Herr Fabrikbesitzer Carl Haug Herr Dr. Maximilian von Cubé Herr Vikar Prinzing aus Rosenheim

Leider lässt sich aus den Archivunterlagen nicht ermitteln, warum es Mr. Fawcett (der als „Villenbesitzer“ bezeichnet wird und 1902 verstorben ist) an den Tegernsee verschlagen hat und ob er dort in beruflicher Funktion tätig war. Bereits 1892 löste Prinz Franz von Wittgenstein den Vikar Prinzing ab. Er war dann bis zu seinem Tod im Jahr 1909 Schriftführer des Vereins. Als Mindest-Mitgliedsbeitrag wurden 20 Pfennig pro Monat, jährlich also 2.40 Mark festgesetzt, wobei der Vorsitzende in den Folgejahren eindringlich – und nicht ohne Erfolg - an die zusätzliche Bereitschaft zur freiwilligen Erhöhung der Beiträge appellierte. Trotzdem war das Eintreiben der Beiträge offenbar bei einigen Mitgliedern mit Mühen verbunden und verlief nicht immer reibungslos. Wahrscheinlich um säumige Zahler zu motivieren, beschloss man daher in der Generalversammlung des Jahres 1908, dass nur diejenigen Mitglieder beschlussfähig sein können, deren Jahresbeitrag bezahlt ist.

Dem Verein gelang es trotz vieler Rückschläge schließlich, die Mittel für den Bau einer Kirche in Tegernsee aufzubringen, so dass am 7. Oktober 1894 die feierliche Einweihung in Anwesenheit hochrangiger Gäste stattfinden konnte. Man kann wohl ohne Übertreibung feststellen, dass ohne den teilweise massiven persönlichen Einsatz einiger protestantischer Adelsfamilien die Tegernseer Kirche im 19. Jahrhundert nicht mehr hätte erbaut werden können. Der Vorsitzende und wohl auch Hauptinitiator des Vereins, Prinz Otto von Wittgenstein, hat durch seine unermüdlichen Anstrengungen zur Aufbringung der Mittel ebenso zur Realisierung des Kirchenbaus beigetragen, wie die zahlreichen adligen Spender und – vor allem – Spenderinnen. Stellvertretend sollen hier zwei besonders aktive Damen, die Baronin Ida von Berckheim und die Baronin von Wulffen genannt werden, die zusammen schätzungsweise mindestens ein Drittel der Bausumme gespendet haben, abgesehen von den zusätzliche Stiftungen für Glocken, Orgel und Innenrauminventar. So stand z.B. Ende 1892/ Anfang 1893 das Projekt kurz vor dem Scheitern, als nämlich der Architekt, Prof. Schmidt, mitteilte, dass er mit der vom Verein veranschlagten Bausumme von 32.000,- Mark (ursprünglich war man sogar von nur 20.000,- Mark ausgegangen) keine Kirche bauen könne und die Baukosten sich auf mindestens 36.000,- bis 38.000,- Mark belaufen würden. Es wurde nun ernsthaft darüber diskutiert, den Bau evtl. auf mehrere Jahre zu verteilen. Den fast schon verzweifelten Bitten von Prinz Otto war es schließlich zu verdanken, dass Baronin von Berckheim weitere 6200,- Mark für den Bau zur Verfügung stellte. Auch die vielfältigen Beziehungen des Prinzen und anderer Vereinsmitglieder zu den königlichen behördlichen Stellen haben dem Projekt sicher weiter geholfen, da sich dadurch die bürokratischen Hürden leichter meistern ließen. Fraglich ist auch, ob es einer „normalen“ Kirchengemeinde gelungen wäre, eine bayernweite Kollekte zum Bau ihrer Kirche genehmigt zu bekommen. Immerhin brachte diese Kollekte im Jahr 1894 stolze 7221,- Mark ein. Dass allerdings auch kleine Summen freudig auf der Einnahmeseite verbucht wurden, zeigt neben vielen Kleinbeträgen die Tatsache, dass der Teil des Bauplatzes, der nicht für die eigentliche Kirche benötigt wurde, für 25,- Mark jährlich an den damaligen Tegernseer Bürgermeister zum Zwecke der Heuernte verpachtet wurde. Erwähnenswert ist auch, dass es auch in den Jahren nach Fertigstellung immer wieder Privatstiftungen, wenn auch in kleinerem Ausmaß, gegeben hat (zum Beispiel für Bibel, Gesangbücher, Taufkanne, Chorrock für den Geistlichen und vieles andere mehr).

 

Die weiteren Aktivitäten

Bereits 10 Monate nach der Einweihung konnte der Kirchenbauverein stolz vermelden, dass alle mit dem Bau zusammenhängenden Rechnungen bezahlt und der Verein schuldenfrei sei. So verwundert es nicht, dass es bald erste Überlegungen gab, den Verein aufzulösen. Letztlich war man aber doch der Ansicht, dass für die Bezahlung der Geistlichen, den Unterhalt der Kirche sowie weitere bauliche Maßnahmen ein Kirchenbauverein weiterhin gute Dienste leisten könnte. Dem Vorsitzenden, Prinz Otto von Wittgenstein, schwebte in diesem Zusammenhang vor, einen Kirchenfond aufzubauen, aus dessen Zinsen der gesamte Unterhalt der Kirche bestritten werden könnte. In späteren Jahren wurde die Mindestausstattung eines derartigen Fonds mit 25.000,- Mark veranschlagt, eine Summe, die bis zur Auflösung nicht erreicht wurde. Dies war nicht zuletzt den offensichtlich widrigen Wetterverhältnissen der kommenden Jahre geschuldet, die dem Kirchenbau beträchtlich zusetzten. Durch Wasser- und Sturmschäden mussten immer wieder größere Reparaturen durchgeführt werden, die – trotz nach wie vor großzügiger Spenden – die Kasse des Vereins aufs Äußerste beanspruchten. So musste z.B. in den Jahren 1903 und 1904 die damals enorme Summe von über 3.200,- Mark für die Kupferbedachung eines Teils der Kirche und des Turms aufgewendet werden. Trotzdem brachen für den Verein nach Fertigstellung der Kirche deutlich ruhigere Zeiten an. Dies lässt sich schon anhand der abgehaltenen Vorstandssitzungen dokumentieren. Trat der Vorstand in den Anfangsjahren noch durchschnittlich mehr als 10 x jährlich zusammen, so begnügte man sich von 1995 bis 1997 schon mit je 5 Sitzungen und seit 1998 sogar mit nur 1 bis 2 Treffen pro Jahr. Der Verein kümmerte sich nun neben den bereits erwähnten baulichen Schäden vor allem um kleinere Anschaffungen, die Verbesserung der finanziellen Situation, außergewöhnliche Ereignisse und künftige strategische Ausrichtungen. So war das Jahr 1897 u.a. geprägt durch den Besuch der deutschen Kaiserin, die an 2 Gottesdiensten im Juli teilnahm. Der Verein hat hierzu offensichtlich beträchtlichen Aufwand betrieben, musste aber trotzdem hinnehmen, dass die meisten Vereinsmitglieder wegen des nicht einkalkulierten gewaltigen Publikumsandrangs keinen Platz in der Kirche bekamen. Im Jahr 1899 diskutierte man ausführlich die Gemeindesituation in Kreuth, das zwar nur wenige einheimische evangelische Familien beherbergte, das aber im Sommer eine große Zahl protestantischer (vor allem adliger und vermögender) Feriengäste anlocken konnte. Offenbar sorgte dort häufig der König von Württemberg für Gäste-Gottesdienste. Vorschläge aus den Reihen des Kirchenbauvereins, auch in Kreuth eine kleine Kirche zu errichten, wurden zwar momentan nicht weiter verfolgt, sie sollten aber ausdrücklich als wichtige Punkte einer künftigen Agenda im Auge behalten werden. Unter ökumenischen Gesichtspunkten ist an den Protokollen der Generalversammlungen dieser Jahre bemerkenswert, dass sie wiederkehrende Hinweise auf die gute und ersprießliche Zusammenarbeit mit den katholischen Institutionen des Tals enthielten, wobei vor allem die Aufgeschlossenheit gegenüber protestantischen Anliegen positiv vermerkt wurde.

 

Der lange Weg zur Auflösung

Am 15. April 1914 beschloss der Verein – widerwillig – seine Auflösung: Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stieg offensichtlich die Zahl der am Tegernsee ansässigen Protestanten an. War im Jahr 1887 noch die Rede von 30 protestantischen Familien in Tegernsee und Umgebung, so wurden bei der Volkszählung von 1910 für die Gemeinden Tegernsee, Rottach, Kreuth, Wiessee, Ostin, Dürnbach und Waakirchen bei einer Gesamtbevölkerung von 9688 bereits 372 protestantische Einwohner nachgewiesen, darunter gut 55% allein in Tegernsee und Ostin. Dieses Anwachsen der protestantischen Bevölkerung war ein Grund für die Bemühungen um die Gründung einer eigenen Gemeinde, die den Verein zur Aufrechterhaltung des Baus und eines Gemeindelebens unnötig machte. Ein zweiter Grund war wohl das Empfinden vieler dieser Protestanten, dass der Kirchbauverein als eine geschlossene und elitäre Gruppe nur teilweise ortsansässiger Mitglieder keinesfalls die Gesamtheit der Tegernseer Protestanten repräsentieren würde. So gaben bei der von dem Reiseprediger Knappe einberufenen Gemeindeversammlung am 15. März 1914 einige der Teilnehmer zu Protokoll, dass sie, obwohl seit Jahren am Tegernsee wohnhaft, noch nie Kenntnis von der Existenz eines Kirchbauvereins bekommen hätten. Im Übrigen war die weitaus überwiegende Mehrheit der Versammlungsteilnehmer der Meinung, dass mit dem Bau der Kirche der Zweck des Vereins ohnehin erfüllt sei. Treibende Kraft bei den Bemühungen um die Gründung einer Kirchengemeinde war dann der Reiseprediger Knappe aus Bad Tölz. Aus den bereits genannten Gründen fiel es ihm relativ leicht, auch gegen den Widerstand des Vereinsvorstands den Auflösungsbeschluss auf der Generalversammlung des Kirchenbauvereins am 15. April 1914 herbeizuführen. Demzufolge sollte das vorhandene Vermögen in eine Kirchenstiftung überführt werden. Der vom Kirchenbau-Vereinsvorstand daraufhin ausgearbeitete Entwurf der Stiftungsbestimmungen sah allerdings noch eine maßgebliche Einflussnahme der Vereinsmitglieder vor, fand aber weder die Zustimmung des königlichen Bezirksamts noch der zuständigen kirchlichen Behörden, so dass in der endgültigen Stiftungssatzung von 1918 so gut wie nichts mehr von den ursprünglichen Vorstellungen des Kirchenbauvereins übrig blieb. Aufgrund kriegsbedingter Umstände und der Verzögerungstaktik des Vorstands zog sich die faktische Auflösung des Vereins noch einige Jahre hin. Am 9. Dezember 1918 wurde die Auflösung aber offiziell vollzogen, indem die Kirche und das Vereinsvermögen der bereits 1917 errichteten protestantischen Kirchenstiftung in Anwesenheit von Regierungsrat de Rudder vom Königlichen Bezirksamt in Miesbach übergeben wurde. Dem Amtsgericht wurde noch am selben Tag schriftlich angezeigt, dass der Verein endgültig aufgelöst ist. Dem letzten Vorstand gehörten an: Forstrat (August) Bartholomä Dr. Förderreuther Arthur Haug (Sohn von Carl Haug) Prof. Dr. Kattwinkel Gräfin Anna Henckel von Donnersmarck (Tochter von Prinz Franz von Wittgenstein; die Statuten waren inzwischen dahingehend geändert worden, dass auch weibliche Vereinsmitglieder gewählt werden konnten) Ob und ggfs. in welchem Ausmaß sich die Mitglieder des ehemaligen Kirchenbauvereins in die Arbeit der neuen „TochterKirchengemeinde“ eingebracht haben, ist den Archivunterlagen leider nicht zu entnehmen. Zwar wird in den Protokollen der Kirchenvorstandssitzungen der Jahre 1947 bis 1950 eine Frau Förderreuther als Kirchenvorstandsmitglied erwähnt, ihre verwandtschaftliche Beziehung zu dem Vorstandsmitglied von 1918 ist den Unterlagen jedoch nicht zu entnehmen. Die Namen Förderreuther und Haug tauchen allerdings zum Kriegsende 1945 nochmals in einem traurigen Zusammenhang auf. Wie vom damaligen Vikar und späteren Tegernseer Pfarrer Dr. Naumann in einer „Kleinen Kriegschronik“ berichtet, haben am 3. Mai 1945 französische Truppen die beiden Leiter der Papierfabrik Louisenthal, den Kommerzienrat Arthur Haug und den Dipl.-Ing. Hans Förderreuther verhaftet und noch am gleichen Tag erschossen. Beide wurden von Dr. Naumann als angesehene Mitbürger und KirchengemeindeMitglieder beschrieben.

 

Fazit

Zusammenfassend kann man festhalten, dass der Kirchenbauverein eine für damalige Zeit gewaltige organisatorische und finanzielle Leistung zustande gebracht hat. In einer Region, deren Bevölkerung bis auf wenige Ausnahmen katholischen Glaubens war und zudem ohne jegliche staatliche oder offizielle kirchliche finanzielle Unterstützung, ist es den Mitgliedern des Vereins gelungen, eine sehr ansehnliche Kirche zu bauen, die zu den ersten evangelischen Kirchen in Oberbayern zählte. Viele Persönlichkeiten haben am Gelingen dieses Projekts mitgewirkt. Wenn man überhaupt jemand aus diesem Personenkreis herausheben möchte, dann muss man sicher Prinz Otto von Wittgenstein nennen, den die Archivunterlagen aufgrund seines Einsatzes und seiner Tatkraft als Hauptinitiator des Kirchenbaus und bis zu seinem Tod im Jahr 1911 als Vereinsvorstand ausweisen. Auf das segensreiche Wirken der vielen Spenderinnen und Spender, allen voran der Baroninnen von Berckheim und von Der erste Kirchbauverein Wulffen, habe ich bereits an früherer Stelle hingewiesen. Erstaunlich ist, dass es in der Kirche keine Gedenktafel für diejenigen gibt, die den Bau erst ermöglichten. Bei einer Visitation durch den damaligen Kreisdekan von Ammon hat dieser im Jahr 1944 wohl die Errichtung einer Tafel für die Männer des Kirchenbauvereins angeregt, das damalige Kirchenvorstandsmitglied Graf Luxburg hatte jedoch erklärt, „dass ein direktes Bedürfnis hierfür nicht vorhanden sei“. Es ist allerdings verbürgt, dass die beiden Baroninnen nach Vollendung des Baus eine entsprechende Würdigung ihrer Verdienste ausdrücklich ablehnten und sich mit zwei gekennzeichneten Sitzplätzen auf Lebenszeit begnügten. Ernst Walter