Rottach-Egern

Evangelischer Kirchenbauverein Rottach-Egern am Tegernsee e.V.
(22.Juni 1952 bis 30. Juni 1963) 

Die Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg war für den Protestantismus im Tegernseer Tal geprägt von einem starken Anwachsen der evangelischen Bevölkerung (s.a. die entsprechenden Ausführungen über den Kirchenbauverein in Kreuth). Wie in Kreuth wurde auch in Rottach-Egern die Raumsituation für die evangelischen Christen zunehmend unerträglich, da man gezwungen war, für Gottesdienste und andere Veranstaltungen verschiedene Säle in Anspruch zu nehmen. Es ist der Tatkraft und Energie des damaligen Pfarrers Dr. Werner Naumann zu verdanken, dass die räumlichen Probleme der Rottacher Protestanten bei den kirchlichen und kommunalen Stellen mit Nachdruck thematisiert wurden. Auf seine Initiative hin konnte die Kirchengemeinde im März 1952 ein Grundstück gegenüber der Schule erwerben und mit den Planungen für den Bau einer Kirche beginnen. Allerdings zeichnete sich erst nach der Grundsteinlegung im November 1953 ab, dass sich durch die direkte Nachbarschaft des Hotels Bachmair Schwierigkeiten ergeben würden, die das ganze Bauvorhaben hätten in Frage stellen können. Glücklicherweise gelang es im März 1954, den ursprünglichen Bauplatz gegen das deutlich vorteilhaftere und um 400 qm größere Grundstück, auf dem die Kirche heute steht, zu tauschen.

Unmittelbar nach dem Grunderwerb leitete Dr. Naumann die Gründung eines Vereins zum Bau einer Kirche in Rottach-Egern in die Wege. Leider liegen über keinen der historischen Kirchenbauvereine des Tegernseer Tals so wenig schriftliche Quellen vor, wie über den am 22. Juni 1952 gegründeten und am 19. Dezember 1952 in das Vereinsregister eingetragenen Kirchenbauverein für die Rottacher Gulbransson-Kirche. Selbst über die Gründungsversammlung existieren keine Unterlagen mehr, so dass auch nicht eindeutig feststellbar ist, wer neben Pfarrer Naumann zu den eigentlichen Initiatoren der Konstituierung zählt.

Das einzig erhaltene Dokument, aus dem sich das Datum der Gründungs-Mitgliederversammlung ablesen lässt, ist die vom Amtsgericht Miesbach am 19. Dezember 1952 bestätigte Eintragung des Vereins in das Vereinsregister. Auf der damals mit eingereichten und genehmigten Satzung ist vermerkt, dass die Statuten auf der Gründungsversammlung am 22. Juni 1952 von 23 Gründungsmitgliedern einstimmig beschlossen wurden. Über den Verbleib der weiteren Vereinsunterlagen, vor allem der Sitzungsprotokolle in der Gründungs- und Bauphase, ist leider nichts bekannt.

Weshalb im Kirchengemeinde-Archiv kaum Akten über die ersten Jahre des Vereins und auch in der Folgezeit nur sporadisch Unterlagen über die Aktivitäten des Kirchenbauvereins aufzufinden sind, könnte möglicherweise u.a. auch damit zusammenhängen, dass der jeweilige Pfarrer (Dr. Naumann, Hell) in seiner Doppelfunktion als Vorsitzender sowohl des Kirchenvorstands als auch des Kirchenbauvereins diese Funktionen in seinen schriftlichen Äußerungen meist nicht unterschieden hat. Auffallend ist jedenfalls, dass bei der den Kirchenbau betreffenden Korrespondenz mit den Ämtern (Landratsamt, Finanzamt), dem Landeskirchenrat und dem Architekten ausschließlich die evangelische Kirchengemeinde in Person des Pfarrers als Adressat und Absender auftaucht und auch in Verträgen und Urkunden immer nur die Kirchengemeinde und nicht der Kirchenbauverein genannt ist. So ist z.B. nicht bekannt, ob die zahllosen Kontakte und Vereinbarungen zwischen den Pfarrern und Olaf Gulbransson von den Vorstandsmitgliedern des Vereins begleitet und ggf. gebilligt wurden. Selbst die Handwerkerrechnungen waren zum überwiegenden Teil an die evangelische Kirchengemeinde und nicht an den Kirchenbauverein adressiert. Sie wurden – soweit erkennbar – aber dann vom Pfarrer an den Kassenwart und Rechnungsprüfer des Vereins – bis zum Juni 1958 Graf Henckel-Donnersmarck, danach General a.D. Feyerabend – zur Begleichung weitergereicht.

Die Satzung des Kirchenbauvereins von 1952, die 1961 aus Gemeinnützigkeitsgründen modifiziert werden musste, sah neben dem Bau der Kirche auch noch den Bau eines Gemeindezentrums vor. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf 50 Pfennig monatlich oder 30,- DM jährlich festgelegt. Über die Zahl der Mitglieder im Verlauf des Bestehens des Vereins gibt es nur einmal einen konkreten Hinweis: In einem Bericht des damaligen Kassiers, General a.D. Feyerabend vom 23. Januar 1961 ist von „nur noch“ 95 zahlenden Mitgliedern die Rede, die für das Jahr 1960 insgesamt 1.261,-- DM an Beiträgen entrichtet hatten. Wenn man von der Höhe der jährlichen Beitragszahlungen auf die Zahl der Mitglieder schließen kann, so dürfte deren Zahl in den Jahren 1953 und 1954 am höchsten gewesen sein, da in diesen beiden Jahren insgesamt 3.715,-- bzw. 3.678,-- DM an Beiträgen verbucht wurden.

Diese Angaben lassen sich den Revisionsberichten und Jahresabrechnungen des Kirchenbauvereins entnehmen, die glücklicherweise zumindest für die ersten und letzten Jahre nahezu vollständig archiviert sind. Dagegen existieren nur drei spärliche Protokolle über die laut Satzung jährlich durchzuführenden Mitgliederversammlungen, und zwar für die Jahre 1958, 1961 und 1963 (Auflösungsbeschluss). Die heute noch erkennbaren Aktivitäten des Vereins lassen sich demzufolge noch am ehesten aus diesen Revisions- und Jahresberichten ablesen.

Danach waren die Mitglieder des Kirchenbauvereins bereits im Gründungsjahr sehr aktiv, was die Beschaffung der Mittel zum Bau der Kirche anbelangte. Bis zum 31.12. 1952, also ein halbes Jahr nach der Gründung, konnten bereits knapp 6.000,-- DM an Einnahmen in Form von Beiträgen, Spenden, Kollekten und „Bausteinen“ erzielt werden. Ein weiteres Jahr später waren die entsprechenden Einnahmen auf fast 26.000,-- DM angewachsen und am 31.12.1954 waren bereits nahezu 70.000,-- DM in den Büchern des Kirchenbauvereins vermerkt. Mit Beginn der Bauarbeiten im letzten Quartal 1954 stiegen allerdings auch die entsprechenden Ausgaben deutlich an. Sie beliefen sich für diesen Zeitraum bereits auf 47.000,-- DM. Den deutlichsten Einnahmenzuwachs , vor allem durch Spenden und Zuschüsse, verzeichnete naturgemäß das Jahr 1955. So hatten sich seit Gründung des Vereins bis zum 31.12.1955 bereits knapp 143.000,-- DM  an Einnahmen angesammelt. Auch wenn die Bauarbeiten bis Ende 1955 noch nicht vollständig abgerechnet waren, blieben die bis dahin ausgewiesenen Kosten für den Kirchenbau mit gut 131.000,-- DM hinter den bis dahin verzeichneten Einnahmen in Höhe von 143.000,-- DM zurück.

Im Gegensatz zu den beiden anderen historischen Kirchenbauvereinen scheint es für den Bau der Rottacher Kirche keine(n) Hauptspender gegeben zu haben. Mit Ausnahme der Zuschüsse des Gustav-Adolf-Vereins, der Landeskirche und der Kommune liegen alle ausgewiesenen Einzelspenden im Bereich unter 1.000,-- DM.

Für die Zeit nach Abschluss der Bauarbeiten lassen sich anhand der wenigen Belege eigentlich nur noch zwei bemerkenswertere Aktivitäten des Kirchenbauvereins nachweisen. 1958 kam es wegen der Anschaffung von drei Stahlglocken mit elektrischem Läutwerk, die von einem anonymen Spender finanziert wurden, offensichtlich zu Differenzen zwischen Mitgliedern des Vorstands des Kirchenbauvereins und Pfarrer Hell. Auch lassen entsprechende Schriftstücke auf Unstimmigkeiten zwischen Pfarrer Hell und dem Landeskirchenrat in dieser Angelegenheit schließen, wobei letztlich Pfarrer Hell seine Auffassung durchsetzte. Dann gab es1961 wohl einen Beschluss, eine Pfeifenorgel anzuschaffen, nachdem 1956 ein Pedalharmonium als Übergangslösung gekauft wurde. Die entsprechenden Angebote lagen aber weit über den damaligen finanziellen Möglichkeiten des Vereins. Während die meisten Vorstandsmitglieder der Meinung waren, die Anschaffung einer hochwertigen Orgel so lange zurück zu stellen, bis die benötigten Mittel aufgebracht wären, hat Pfarrer Hell Ende 1962 (wohl ohne ausreichende Konsultation des Vorstands) in einer „Blitzaktion“ für 10.600,-- DM eine Elektronenorgel beschafft. Da auch der Landeskirchenrat seine Genehmigung für die Anschaffung dieser Orgel verweigerte, untersagte das Dekanat eine offizielle Orgelweihe. Die Darstellung der Details der Glocken- und Orgelanschaffungen (auch die 1973 gestiftete und eingebaute Kerssenbrock-Orgel hatte heftige Meinungsverschiedenheiten zwischen Landeskirche und Pfarrer Hell zur Folge) würde den Rahmen dieser Ausführungen sprengen, wäre aber einen eigenen Bericht wert.

Mit den Zerwürfnissen im Hinblick auf die Orgelbeschaffung zeichnete sich ab, dass dem Kirchenbauverein keine große Zukunft mehr beschieden sein würde. Allerdings war satzungsgemäß vorgesehen, dass sich der Kirchenbauverein auch für den Bau eines Gemeindezentrums in Rottach-Egern einsetzen sollte. Zwar beschloss der Verein in einer Sitzung vom März 1960 „ein Pfarrhaus mit Betreuung der Jugend und eine Schwesternstation“ auf dem Kirchengelände anzustreben, im Januar 1961 erntete Pfarrer Hell aber mit seinem Vorschlag, wegen der hohen Kosten auf den Bau eines Pfarrhauses zu verzichten und nur ein „ausbaufähiges Gemeindezentrum“ zu errichten, breite Zustimmung. Nachdem man sich aber nicht mit den Plänen von Olaf Gulbransson und seines Nachfolgers anfreunden konnte und auch der Rottacher Gemeinderat die vorgelegten Pläne strikt ablehnte, beschloss eine am 20. Juni 1963 zusammengetretene Mitgliederversammlung die Auflösung des Vereins zum 30. Juni 1963. Das zu dieser Zeit bereits deutlich gesunkene Interesse an dem Kirchenbauverein lässt sich auch an den nur noch 13 anwesenden Mitgliedern ablesen.

Von den Vereinen, die den Bau der Kirchen in Tegernsee, Rottach-Egern und Kreuth ermöglichten, war der evangelische Kirchenbauverein Rottach-Egern e.V. mit einer Lebensdauer von 11 Jahren der kurzlebigste. Nach den recht produktiven Jahren bis zur endgültigen Fertigstellung der Kirche sind während der 2. Hälfte etliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Pfarrer und Teilen des Vereinsvorstands dokumentiert. Auch tiefgreifende Differenzen zwischen dem Architekturbüro Gulbransson, vor allem nach dem Tod von Olaf Gulbransson, beeinträchtigten zunehmend die Arbeit des Vereins. Insofern ist es m.E. nachvollziehbar, dass das Interesse an dem ursprünglich vorgesehenen zweiten Vereinsziel, dem Bau eines Gemeindezentrums, zusehends erlahmte, so dass das Vorhaben in der Auflösungsbegründung nicht einmal mehr erwähnt wurde. Allerdings zogen sich für die Kirchengemeinde die teilweise heftigen Auseinandersetzungen um die planerischen Vorleistungen des Architekturbüros für das Projekt Pfarr- und Gemeindehaus bis zum Jahr 1970 hin. Aber diese Vorgänge gehören nicht mehr zur eigentlichen Geschichte des Rottacher Kirchenbauvereins.